Liebe Unterstützerinnen,
liebe Unterstützer,
Deutschland hat eine neue Regierung, der demokratische Wechsel in Berlin ist vollzogen.
Für Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Kabinett gibt es keine Schonfrist und auch keine lange Einarbeitungszeit. Vor allem Corona hält uns alle unverändert in Atem. Der Bundestag hat in der letzten Woche erneut das Infektionsschutzgesetz geändert. Unter anderem gilt jetzt eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für bestimmte Personengruppen. Betroffen sind Beschäftigte im Gesundheitssektor und in Berufen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen. Damit wird es im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erstmals in Deutschland eine gesetzliche Impfpflicht geben, vorläufig beschränkt auf bestimmte Berufsgruppen.
Schon diese beschränkte Impfpflicht ist nicht unumstritten. Sie ist ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und daher nur zulässig, wenn sie in der Abwägung zu anderen Grundrechten und anderen Grundrechtsträgern verhältnismäßig ist. Ich habe mich trotz einiger Bedenken dieser beschränkten Impfpflicht im Bundestag zugestimmt. Ich weiß, dass diese Entscheidung eine Korrektur der politischen Zusage darstellt, dass es in Deutschland eine Impfpflicht nicht geben soll. Aber das Ausmaß des Infektionsgeschehens und die Belastung unseres Gesundheitswesens haben aus meiner Sicht eine neue Antwort erfordert.
Eine Vorentscheidung für eine allgemeine Impfpflicht ist diese Entscheidung des Bundestages für mich allerdings ausdrücklich nicht. Wenn die neue Bundesregierung eine solche allgemeine Impfpflicht plant, dann bedarf dieser sehr viel weiter reichende Schritt einer glaubwürdigen und überzeugenden Begründung. Eine große Mehrheit der Bevölkerung hat sich bisher impfen lassen, nur eine kleine Minderheit lehnt die Impfungen bis heute hartnäckig ab. Das ist bisher ihr gutes Recht. Dann müssen die Ungeimpften aber zum Schutz der Allgemeinheit auch erhebliche Einschränkungen im Alltag hinnehmen. Deshalb plädiere ich erneut für eine konsequente Anwendung von 2G, so, wie es mittlerweile in immer weiteren Bereichen des Alltags zurecht erwartet wird.
Wenn mit 2G das Ziel einer höheren Impfquote trotzdem nicht erreicht werden kann, könnte eine allgemeine Impfpflicht eine weitere Option sein. Die Bundesregierung muss im Falle einer solchen Gesetzgebung allerdings vorher ausführlich darlegen, warum aus ihrer Sicht eine solche allgemeine Impfpflicht mit den Grundrechten vereinbar ist und wie sie diese Pflicht im Vollzug auch durchsetzen will. Was nützt eine allgemeine Impfpflicht, wenn sie nicht nur zu einer weiteren Verschärfung der gesellschaftlichen Konflikte und zu weiteren verfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen führt und das Gesetz zugleich weitgehend ins Leere läuft, da der Vollzug nicht gesichert ist? Vollzug in diesem Zusammenhang heißt auch die rechtzeitige Klärung der Verantwortlichkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Last but not least: Welche ordnungsrechtlichen und welche arbeitsrechtlichen Folgen schleißen sich einer Verweigerung der Impfpflicht bei dem Teil der Impfgegner an, die erwartungsgemäß auch einer gesetzlichen Verpflichtung nicht Folge leisten will?
Erst wenn diese nachfolgenden weitgehend rechtlichen und organisatorischen Fragen zufriedenstellend geklärt sind, können wir zurückkehren zu der Grundsatzfrage, ob denn nach unserem Verständnis von Freiheit und Verantwortung eine allgemeine Corona-Impfpflicht denkbar ist oder nicht. Frühestens zu diesem Zeitpunkt wird diese Frage möglicherweise dann auch eine Gewissensfrage. Ob es eine Gewissensfrage wird oder nicht, entscheidet ohnehin jeder Abgeordnete ganz für sich allein. Aber vorher hat die Bundesregierung noch sehr viel Arbeit zu erledigen.
Ich wünsche Ihnen ein schönes drittes Adventswochenende!
Ihr Friedrich Merz