Liebe Leserin, lieber Leser,
auf einmal sind alle ganz besorgt, bestürzt und natürlich wieder einmal überrascht: Die AfD liegt in den Umfragen bei 18 Prozent, gleichauf mit SPD und vor den Grünen. Noch schlimmer: Bis zu 50 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Deutschland können sich grundsätzlich vorstellen, die AfD zu wählen.
Kommt das alles wirklich so überraschend? Wirklich? Bei näherer Betrachtung sind die Ursachen doch seit langem ziemlich klar: Eine schwache und beständig streitende Regierung löst Gegenreaktionen aus. Mit der AfD können die Bürgerinnen und Bürger heftige Denkzettel verpassen. Diese Denkzettel treffen derzeit vor allem die Grünen, die mittlerweile nur noch das eigene Klientel erreichen, aber außerhalb davon mit ihrer penetrant vorgetragenen Volkserziehungsattitüde auf besonders starken Widerstand stoßen. Im normalen Leben beschäftigen sich die Menschen nicht mit „Indianern“ und „Mohrenstraßen“, sondern mit Inflation und Wohnungsnot. Und wenn die ganz normalen Bürgerinnen und Bürger bei den Regierungsparteien kein Gehör mehr finden, dann wenden sie sich eben denen zu, die ganz besonders scharf dagegen sind, egal ob ganz rechts oder ganz links. Sarah Wagenknecht lässt herzlich grüßen!
Das Land wird von vielen Menschen ganz anders wahrgenommen als im Justemilieu der Regierungsparteien. Der objektive Befund von Inflation und Rezession geht bei vielen Bürgern einher mit dem Blick auf eine marode Infrastruktur, auf die chronisch unpünktliche Bahn, auf Unterrichtsausfall und Ärztemangel. Sie sehen gleichzeitig, wie die Regierung hemmungslos und in noch nie dagewesener Weise den Staatsapparat aufbläht und die eigene Klientel bis hin zu Trauzeugen und Familienangehörigen bedient.
Im Lebensalltag der Städte und Dörfer dagegen ist die Flüchtlingskrise wieder präsent, verbunden mit dem unguten Gefühl, für Flüchtlinge sei immer genug Geld vorhanden, für Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser dagegen immer weniger.
So stecken nicht nur die Regierungsparteien in der Krise, sondern sie droht überzugehen auf „die Politik“ und auch „die Medien“. Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar hundert Stimmen mehr zur AfD. Gegenderte Sprache und identitäre Ideologie werden von einer großen Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr nur im Stillen abgelehnt. Sie werden als übergriffig empfunden – und wieder hat die AfD ihre klammheimliche Freude daran.
Nun mag man einwenden: Aber warum um alles in der Welt profitiert nicht wenigstens die Union noch mehr von dieser Regierung und dem diffusen Unwohlsein im Land? Die Frage ist mehr als berechtigt, und sie beschäftigt uns natürlich. Wir liegen mit rund 30 Prozent stabil auf Platz 1 aller Umfragen, müssten aber in der Tat noch besser sein. Doch auch wir werden mitverantwortlich gemacht für den Zustand des Landes – und das Mantra der Ampel, sie müsse nun endlich mal aufräumen, was da 16 Jahre lang liegen geblieben ist, verfängt eben bei vielen Wählerinnen und Wählern. Die Tatsache, dass auch SPD und FDP an diesen Regierungen beteiligt waren, wird dabei großzügig unterschlagen. Und zugleich wird die angeblich alleinige Verantwortung der Union für alle Versäumnisse der Vergangenheit von vielen Medien als Stereotyp einfach übernommen.
Nimmt die Union dann Gegenpositionen zur Ampel ein, wie wir es oft genug sehr klar und deutlich tun, dann sind dieselben, die von uns ständig Alternativen verlangen, in Windeseile mit der Rassismuskeule und dem „Rechtsruck“-Vorwurf bei der Hand. Zu besichtigen war das etwa vorletzte Woche, als der schlichte Wunsch des neuen Regierenden Bürgermeisters, Kai Wegner, nach sauberen Parks in seiner Stadt von den Berliner Grünen als „Kulturkampf von rechts“, „Kriminalisierung“ und „entmenschlichende Sprache“ kritisiert wurde. Eine solche Verengung des Meinungsklimas zahlt wieder nur bei der AfD ein, und so nährt die Ampel diese Partei gleich doppelt.
Können wir etwas dagegen tun? Ja, das können und werden wir. Die Union wird die politische Kultur unseres Landes wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Wir lassen uns nicht verängstigen von einer engstirnigen Meinungselite. Wir werden denen, die anpacken wollen, die eine Zukunft in unserem Land suchen, die nicht abhängig werden wollen von staatlichen Transfers und die zugleich einen fördernden und fordernden Sozialstaat wollen, noch klarer und deutlicher eine Stimme geben.
Und allen Pessimisten der angeblich „letzten“ Generation, allen selbsternannten Experten und Aktivisten in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung sei gesagt: Wir nehmen die Herausforderung an und werden für ein liberales, offenes, tolerantes Land kämpfen, das auch in Zukunft Frieden, Freiheit, Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und erfolgreichen Klimaschutz ermöglicht.
Das Erstarken der AfD nehmen wir nicht einfach hin. Wir stehen ein für unsere Überzeugungen mit Freude, Optimismus und der Bereitschaft, jederzeit allen die Stirn zu bieten, die aus Deutschland ein anderes Land machen wollen, sei es von ganz links oder ganz rechts. Dieser Weg ist nicht einfach, und es werden uns weiter viele Fallen gestellt werden. Aber wir sind unterwegs, und wir gehen weiter voran!
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Ihr Friedrich Merz